Die Geheimnisse der Synagoge von Görlitz

vom 17.04.2018

Unser WJ-Stammtisch am 17. April 2018 begann diesmal nicht in einem Gasthaus sondern in einem ehemaligen Gotteshaus. Diplom-Restaurator Rayk Grieger führte uns durch die Görlitzer Synagoge und verriet dabei, mit welcher Raffinesse aus traditionellen und zeitgenössischen Einflüssen die Dresdner Architekten Lossow & Kühne das Gebäude planten. Wir betraten den 18m hohen Kuppelsaal mit seiner goldverzierten Decke und der Frauenempore im Westen. Über der Kuppel erhebt sich der nochmal 18m hohe Turmbau, damit das Gebäude über der Stadt weit zu sehen war. Über Marmorstufen gelangte man zum Toraschrein, der stets nach Osten ausgerichtet ist, und der mit zwei großen hölzernen Schiebetüren verschlossen werden kann. Hinter dem oberen Teil der Ostseite befand sich die Sängerempore.


Wenn wir uns in das Jahr 1911 zurückversetzen, würde uns als gläubiger Jude nun ein großartiges Schauspiel erwarten. So stand der Rabbiner vor dem Toraschrein, dessen hölzerne Schiebetüren sich wie von Geisterhand automatisch durch eine Kurbel im Raum dahinter öffnen ließen. Die Kuppel mit ihrem rauen Putz erzeugte eine optimale Brechung des Schalls, der über die Kuppel von hinten in den Gebetssaal hineinkam und eine exzellente Akustik bot. Da der Chor selbst auch nicht sichtbar war, mussten diese Gesänge für das damalige Publikum etwas Göttliches haben.


Die Synagoge und viele andere Görlitzer Bauten fanden innerhalb der letzten Jahre durch staatliche Förderungen und die Millionenspende eines Unbekannten, das Wunder von Görlitz, zurück zu altem neuen Glanz. Um die Millionenspende zu verwalten, gründete sich die Altstadtstiftung, die mit dem Ende der hohen Spendensummen nun vor der Frage steht: Ist es das Ende eines Wunders oder der Anfang für die Verantwortung gegenüber einer großzügigen Geste als Investition in die Zukunft? Wie kann diese Stiftung weiterhin bestehen und ihren Zweck verfolgen? Wie können die Görlitzer, vor allem die Wirtschaft, dazu beitragen, das Flair der Stadt zu erhalten und nicht zuletzt für sich zu nutzen, um zahlungskräftige Touristen und Investoren anzulocken?


Im Café Kugel diskutierten wir Lösungen:
• Aufrunden bitte! (bei jedem Einkauf könnten die Käufer in lokalen Geschäften und Gastronomie spenden)
• Vielleicht eine Art „Kurtaxe“, denn immerhin kommen jährlich rd. 2,3 Mio. Besucher nach Görlitz
• 1% von den Mitteln, die man z.B. auf die hohe Kante legen oder in ein Luxusobjekt investieren würde
• …


Viele Ideen zeigten, dass die Bereitschaft, für den Erhalt der Altstadtstiftung, vorhanden ist. Jetzt kommt es auf die Träger (Stadt, Gemeinde, Bund, Stiftungen) dieser Verantwortung an, ob sie diese Ideen annehmen, umsetzen wollen und können oder ob doch weitere parallele Strukturen im Ehrenamt nötig sind?